Archive | April, 2014

Sind die 90er zurück? Ich finde ein CASH FLOW in der Post. Gibt’s das wieder? Oder noch immer? Und warum sieht es aus wie in den 90ern?

23 Apr.

 

https://twitter.com/ArminWolf/status/458870121797525504 

Sind die 90er zurück? Ich finde ein CASH FLOW in der Post. Gibt’s das wieder? Oder noch immer? Und warum sieht es aus wie in den 90ern?

09:28 – 23. Apr. 2014

Mund abputzen, weitermachen!

22 Apr.

Die Karriere von Gerhard Möser: Diskothekenbesitzer, Nobelgastronom, Pillenverkäufer und Entführer.

Die Karriere von Gerhard Möser: Diskothekenbesitzer, Nobelgastronom, Pillenverkäufer und Entführer. In Szene gesetzt von Götz Schrage

Ein Leben zwischen schnellen Autos, Kokain, schönen Frauen und hinter schwedischen Gardinen. Bühne frei für den Flick-Erpresser Gerhard Möser.

„Es war scheißkalt, mindestens 20 Grad minus, und ich fror am ganzen Körper. Mit klammen Fingern legte ich mir eine Linie Kokain am Armaturenbrett des Wagens. Schon seit Tagen war ich mit Koks vollgepumpt, konnte nicht mehr schlafen. Ich hatte gerade ein Nasenloch voll mit Gift, als Raggers Firmenwagen, ein weißer Opel, auftauchte …“

So kündigt ein Klappentext die Nacht an, die das Leben von Gerhard Möser einer brachialen Wendung unterzieht. Günther Ragger ist der Bruder von Ingrid Ragger, die im Sommer 1991 den schwerreichen Industriellen Friedrich Flick heiratet. Und Möser ist sein Entführer. Gemeinsam mit zwei Komplizen erpresst er ein Lösegeld von 70 Millionen Schilling (fünf Millionen Euro). Oder genauer: Er versucht es. In 42 Stunden jagen Möser, Ragger und einer der beiden Komplizen quer durch Österreich. Gescheiterte Geldübergaben, die Flucht eines Komplizen und abenteuerliche Polizeimanöver inklusive. Möser gelingt es schließlich – kurz vor dem Zugriff der Beamten –, sich mit einem Teil der Beute über die Grenze zu verdrücken, in München in ein Flugzeug zu steigen und nach Chicago zu fliehen. Zurück zu Nancy, seiner großen Liebe. Zurück zu der Frau, die das Chaos in ihm und in dem Leben aller Beteiligten erst ausgelöst hatte.

Nancy, 1,80 Meter groß, dunkle Mähne, meterlange Beine, Model, koks- und shoppingsüchtig. Möser lernt die Amerikanerin in einem monegassischen Club kennen, als diese die Entourage von Prinz Albert ziert. Dass Möser im Dunstkreis solcher Prominenz wandelt, ist gelerntes Business. Erst vergöttert ihn die Gesellschaft in Graz für sein außergewöhnliches Programm im In-Lokal Mr. Bojangles, dann liegt ihm die High-Society von Monaco zu Füßen. Er schüttelt die Hände von Falco, Fendrich, Schwarzenegger, Sammy Davis Jr., Becker (Tennis), Schumacher (Formel 1) und der jungen Generation der Adelsfamilie.

Stop. Zwei Schritte zurück. 1988.

Gerhard Möser steigt in Graz zum König der Nacht auf, weil er seinen Club anders führt als alle anderen. Gäste versuchen, die Türsteher zu bestechen, um bei den Partys dabeizusein. Er ist präsent, überrascht die Gäste mit kleinen Zuwendungen und hat ein Gespür für Flair, Style und aufstrebende Künstler. Falco unterschreibt einen Vertrag mit Möser, Monate bevor er weltweit zum Kommissar wird. Er bietet Möser 100.000 Schilling, um nicht auftreten zu müssen. Möser verneint und bekommt seine Show.

Zwei Rolls-Royce, einen Maserati und ein Dutzend Schönheitsköniginnen später ist er Millionär, weil er seinen Club für viel Geld verkauft. Möser setzt sich mit seiner Frau und seinen beiden kleinen Kindern nach Monaco ab. Dort gründet er das Café Mozart. Spielt seinen Charme und seine Großzügigkeit aus und wird abermals zum Liebling der Society. Nach dem Café Mozart eröffnet er das Teehaus Mozart. Er verkauft 1.000 Speisen zu Mittag, fährt Autorennen in ganz Europa mit und erlebt wundervolle Jahre in Saus und Braus. Dann betritt Nancy die Bühne. Sie kichern, schmusen und lieben sich zuerst im Champagner-, später im Kokainrausch. Für sie verlässt er Frau und Kinder, stürzt sich ins wilde Leben, dem er sich nie ganz entziehen kann, und verfällt ihr mit Haut, Nase und Haaren. Sie vereinnahmt ihn und seine Kreditkarten, nutzt seine Gutmütigkeit, seine Beziehungen zur Prominenz und seine Konten.

Möser nimmt Medikamente, schläft – stets in Krawatte und Anzug – im Auto. Er reist nach München, um einen Freund zu besuchen. Zufällig erfährt er, wer in der Nachbarschaft wohnt. Er gabelt zwei Kroaten am Grazer Hauptbahnhof auf, leiht sich einen Lieferwagen und legt sich an diesem Dezembermorgen eine Nase Kokain auf dem Armaturenbrett.     Nach seiner Flucht nach Chicago ist es Nancy, die ihn an das FBI verrät – für 3.000 Dollar Belohnung. 1992 wird ihm der Prozess gemacht. Mit handgefertigten Maßschuhen tritt er vor den Haftrichter. Dieser lächelt hämisch und nimmt ihm die Schuhe mit dem beiläufigen Satz ab, dass er die für eine Weile nicht mehr brauchen wird. Eine lange Zeit wird vergehen, bis Möser wieder in Freiheit sein soll. Der Richter schenkt ihm von zwölf Jahren vierzehn Tage Freiheit.

Schleppend verstauben die Jahre in Haft. Möser genießt die Zeit, die er alleine in der Zelle verbringt. Er liest unzählige Bücher, reflektiert und schreibt Gastronomie-Konzepte. Er lernt Mörder, Vergewaltiger und die Willkür der Justizbeamten kennen. Nach zehn Jahren, 2002, darf er das erste Mal auf Freigang. Sein ehemaliger Bankberater gewährt ihm einen Kredit und Möser eröffnet in Wien-Favoriten das Kaffeehaus Mozart. Er steht um sechs Uhr morgens auf, organisiert das Geschäft, bedient seine Gäste, verteilt um 17 Uhr gratis Häppchen und kredenzt um 20 Uhr das eine oder andere Freibier. Um halb zehn schließen sich jeden Abend die Zellentüren wieder hinter ihm.

Schnell wird das Kaffeehaus zum Magneten im 10. Bezirk. Abermals stürzt sich die Presse auf ihn – diesmal die Nachmittags-Schmonzetten. Möser gilt als der erste Häftling Österreichs, der gleichzeitig Unternehmer ist.

Im Juni 2002, sein Kaffeehaus brummt, klingelt das Telefon. Mösers Tochter ruft aus Spanien an. Sein Sohn Sven ist bei einem Sprung von der Kai-Mauer an einem Strand in Mallorca verunglückt. Fünf Wirbel zertrümmern, als sein Kopf auf einem Stein aufschlägt. Der Organismus hört danach auf zu funktionieren. Sven fällt ins Wachkoma.

Jeden Tag fährt Möser ins Spital, klopft seinem Sohn das Kissen auf und streichelt ihm übers Haar. Er streitet mit den Ärzten um die richtigen Behandlungsmethoden. Richtet Sven gegen deren Ermahnungen auf und fährt mit ihm im Spitals­park spazieren.

Wunderheiler rufen an. Hexen bieten ihre Gebete übers Telefon gegen Geld an. Möser sucht und sucht nach einer Möglichkeit, seinem Sohn zu helfen. Alles würde er machen. So erfährt er von einem Stoff namens Silizium, der die Zellteilung beschleunigen solle. Er lässt den Entdecker aus Deutschland kommen, verabreicht seinem Sohn einige Dosen und überrascht die Ärzte nach einigen Tagen Therapie mit den hervorragenden Werten seines Sohnes. Möser misstraut dem Spitalspersonal zunehmend und holt seinen Sohn schließlich nach Hause, um ihn dort zu pflegen. Nebenher gründet er einen Verlag und bringt Bücher auf den Markt, die andere nicht verlegen wollen. 2005 verkauft er sein Kaffeehaus am Wiener­berg. Im März 2006 stirbt Sven an einer Blutvergiftung.

Stop. Ein Schritt ins Jetzt. 2014.

Gerhard Möser steht mit seiner jungen Frau Corina und Terrier Richie in einem kleinen Geschäftslokal in der Wiener Burggasse. In den Regalen um ihn herum türmen sich kleine Plastikdosen und Sprayflaschen. Corina lernt er in einem Kaffeehaus kennen. Seit ein paar Jahren ist er mit ihr verheiratet. Er will der hübschen Frau, die eine schwere Jugend in Rumänien hatte, ein schönes Leben bieten. Der Tod seines Sohnes ist über zehn Jahre her.  Möser verschreibt sich der Nanotechnologie. Er tritt mit dem Pharma-Unternehmen Neosino in Verbindung, das Silizium zum Kassen­schlager machen will und an die Börse geht. Das Unternehmen sponsert damals den FC Bayern München und dessen Stürmerstar Roy Makaay. Auf einer Veranstaltung verkündet der damalige CEO Edmund Krix im Jahr 2006, auch Krebs heilen zu können. Die Presse wird aufmerksam. Die NDR-Sendung Panorama berichtet, dass die Produkte keine Wirkung haben und die Kurse rauschen in den Graben. Ein Forscher des mit dem Fall betrauten Max-Planck-Instituts sagt später, dass er lediglich auf der Straße von den Reportern angesprochen wurde. Neosino weist die Vorwürfe zurück. Doch das Unternehmen geht daraufhin bankrott.

Möser sichert sich die Rechte für den Verkauf in Österreich. Er wehrt Angriffe der Industrie ab, streitet um Zulassungen und Lizenzen. Schließlich wird aus den Siliziumkapseln ein Naturprodukt. Möser verlagert die Produktion nach Österreich. Er einigt sich mit den Erfindern, sichert sich die Markenrechte und treibt den Vertrieb voran. 2013 lockt er arabische Investoren an, die ein Gesundheitszentrum in Mösers Heimatort Mariahof bauen wollen. Der Deal kommt in letzter Sekunde nicht zustande. Schuld war die Intervention des mittlerweile zurückgetretenen Bürgermeisters von Neumarkt, Reinhardt Racz. Möser ist wieder mitten im Business. Wie immer eigentlich. Er ist milde geworden, aber sich aus dem Spiel zurückziehen? Nein, er hat ja grade erst wieder angefangen.

The end of 9 to 5

13 Apr.

The idea of people working regular hours is an anomaly; a blimp on the radar of human development. Celebrate it for what it was and move on.

Pascal Finette –  He worked for Mozilla  (Director), Ebay (Senior  Manager) and Google (Portfolio Manager).  

Pascal Finette – He worked for Mozilla (Director), Ebay (Senior Manager) and Google (Portfolio Manager). Describes himself as an Entrepreneur, Speaker, Chief Heretic, Posse Leader, Nerd, Coffee Snob, Dancer-in-the-Moment. Check out his Heretic movement under heretic.me

Since the dawn of time human activity was governed by the cycle of the sun. We rose with the first sign of the sun, plowed the fields, went hunting and generally did what was necessary to sustain ourselves – until the sun set and it went dark. If the moon shone bright enough we worked through the night. Otherwise we slept. The three billion people around the world who live in poverty and don’t have access to electricity still operate by this cycle. We rested when there was less work to do, we took a break when we felt tired and work was generally „always there“.

The industrial revolution brought us a new regime: The machines demanded to be kept moving. Electricity expanded „daylight hours“ ad infinitum. We went from twelve hours in the fields to twelve hours slaving away in the newly built factories, took a break when we were told to take a break and labeled this all „progress“.

Only in the second half of the nineteenth century, with the rise of the unions and thus the (somewhat) realignment of power from employers to employees did we get the „40 hour work week“, Sunday’s off and the rhythm of nine to five. Moving from blue collar (factory floors) to white collar (offices) jobs further accelerated this trend.

This regiment stayed with us for a short hundred or so years. Star­ting with the advent of the digital economy – we rapidly moved back to where we came from: A culture of „always on“; a world where boundaries between work and personal life blur and where we work, once again, from dusk till dawn (and longer); resting when there is less work to do (or not at all) and taking breaks when we feel tired (or never) and with work just always being there.

The „new economy“, a term coined during the first dot-com boom in the late nineties, promised a future where we live as free agents, do our work from coffee shops or hip offices; where work feels like play and play becomes life. The reality saw us working endless hours, our heads illuminated by the blue glare of our computer screens and our desires fueled by the promised payoff of untold riches through a public stock offering of our companies. Nine to five became a forbidden term – the word you used to describe your colleagues who „didn’t have their priorities right“ and „didn’t pull their weight“.

We rewired our brains for the instant dopamine rush we get when an email hits our inbox. The fear of missing out became „a thing“. When RIM introduced their first Blackberry devices, which we proudly wore on our belts and which vibrated with each and every email which came into our inboxes, we were hooked. We developed „phantom vibration syndrome“ when we didn’t have our Blackberrys with us. With the advent of Apple’s iPhone, iPad and Google’s Android devices we started begging our companies to allow us to bring our own devices to work (a trend which got its own acronym: BYOD). And in return are always online, always checking email, never switching off anymore.

We happily bartered our right to work five days a week from nine to five for a world of instant gratification and constant rush. Probably we were never meant to put a clean border between work and life.

Now excuse me: I need to check my email, update my status on Facebook and catch up on the latest news on Twitter.

BETONWIRTSCHAFTSLEHRE

9 Apr.

Blindes Wachstum und falsche Effizienz zerstören den Planeten eher heute als morgen. Leopold Seiler fasst den Wahnsinn zusammen.

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Leopold Seiler: Professor, Mikrokredit-Profi und Philosoph. FOTO DAVID SAILER FÜR CASH FLOW

Die reale Welt zu kritisieren, aber sich in ihr auf eine Art zu bewegen, die selbst kritisch zu beäugen wäre, ist inkonsequent. Machen wir alle aber trotzdem, oder? Es läuft auch einiges schief im Moment.

Wir sollten das ändern, solange wir dies noch können. Schicken wir die Wirtschaft in die ethische Mucki-Bude. Dort kann der Schweiß der Anstrengung das Absurde wegspülen, bevor das die Tränen erledigen. Machen wir so weiter, werden es bald auch Ihre eigenen sein.

Machen Sie ein kleines Gedankenexperiment mit mir: Eine außerirdische Intelligenz dreht ein paar Runden um unseren Planeten, landet auf allen Kontinenten und berichtet dann daheim vom Eindruck des Ausfluges. Sie werden sich nicht mit Detailberichten über das morbide Wien, das oberflächliche New York oder das staubige Tunis aufhalten, sondern sich ganz allgemein fassen. Ein Planet mit biologischer Vielfalt. Eine dominante Spezies, humanoid, aber im Denken und Handeln wie ein Krebsgeschwür ausgerichtet. Die Humanoiden zerstückeln das eigene Biotop messbar und sichtbar. Konzentrationsprozesse innerhalb der Spezies sind daher unvermeidbar, da das Lebensmodell nicht unendlich skalierbar ist. Technische Vorteile kommen nur der kleinen Minderheit zu, die an einem Spiel teilnimmt, das „Wirtschaft“ genannt wird. Die Eintrittskarte dazu wird „Geld“ genannt. Sie zu ergattern ist schwierig. In die Enklaven des Glücks wird die große Masse der Spezies daher nie vordringen können. Von einer weiteren Kontaktaufnahme wird dringend abgeraten.

Sollten wir für die Außerirdischen zu einem positiveren Schlussresümee kommen wollen, sollten wir einige Punkte schnellstens ändern.

Die Welt in unserem Keller. Denken Sie an den Bodensatz Ihrer Gefriertruhe, wenn jemand den Stecker zieht, während Sie im Urlaub sind. Dieses Gemisch aus Tauwasser, Blut und flüssigem Speiseeis. Ekelhaft. Geschlossenen Systemen wie Ihrer Gefriertruhe muss permanent Energie zugeführt werden, sonst steigt der Grad der Unordnung. Da unser modernes Wirtschaftssystem einen unnatürlich hohen Grad der „Ordnung“ erreicht hat, bedarf es einer Menge Energie, um es aufrechtzuerhalten. Davon ist aber leider nicht genug für alle da. Ziehen wir die Metapher weiter, ist Afrika das eingefrorene Fleisch, das nach drei Tagen vermodert, und Europa das Grüngemüse, das den Aggregatszustand länger hält.

Bleiben wir weiter so dummdreist und zapfen den einzigen Energielieferanten nicht an, der am Monatsende keinen Erlagschein sendet, suppt auch das Gemüse aus seiner Packung und ertrinkt im Gatsch auf dem Boden der Gefriertruhe. Die Sonne kann unsere Energieprobleme lösen. Solange wir sie nicht nutzen, leiden wir global an sozialer Unordnung, die uns irgendwann den Stecker zieht.

Globalisierung ist Mittelalter.  Global am Start sein, meint „überall“. Globalisierung ist ein regionaler Begriff, und warum bitte kein sozialer? Aus „überall“ sollte „mit möglichst vielen Teilnehmern“ werden. Warum raubrittert eine wirtschaftliche Elite (Ja, Sie gehören da irgendwie mit dazu) durch die Welt wie durch einen Selbstbedienungsladen und verkauft sich dem darbenden Rest als Messias? Wir leben nach wie vor im Mittelalter. Wir haben den Ständestaat nur regional erweitert. Das ist Fortschritt, Baby. Der besteht darin, dass wir die Sklaven und Leibeigenen nicht vor unserer Haustüre betteln, hungern und sterben sehen müssen. Noch immer leben Milliarden Menschen nicht so, wie man es Menschen zubilligen möchte. John Rawls mit seinem „Schleier der Unwissenheit“ erklärt uns das eindrucksvoll. Unwahrscheinlich, dass sie den Status quo der Globalisierung als chancengleich verteidigen und gleichzeitig behaupten, alle Tassen im Schrank zu haben, oder?

Schreibfehler. Ich spiele gerne mit „Vermögen“. Als Anlageberater und als Philosoph. Die meisten Menschen würden den Begriff intuitiv großschreiben: „Vermögen“ – also alles, was du hast. Ich schreibe ihn lieber klein: „vermögen“ –also alles, was ich tun kann. „Vermögen“ wird zum Inbegriff der Potentialität. Scheiß auf die Kohle. Es geht darum, was ich tun kann. Frag Mutter Teresa, Gandhi oder Jesus. Wir feiern diese Menschen als moralische Instanzen, klatschen ihnen aber im Vorbeigehen auf den Arsch.

Beim Buchstaben „G“ klappt das Wortspiel auch. In der Ökonomie steht „g“ für Wachstum. Politiker stimulieren ihren „G-Punkt“, dieses ominöse Wachstum, gerne mit der ganzen Hand. Klingt unanständig, ist es auch. Denn unendliches Wachstum tötet.

In meinen Ethik-Vorlesungen steht „G“ für „genug“. Wann sind wir ausgewachsen? Wie viel reicht Ihnen denn? Wenn wir halbwegs ehrlich sind, liegen wir da alle in einem hohen Maße drüber. Klingt für Sie zu moralinsauer? Geht’s der Wirtschaft gut, geht’s uns allen gut? Sicher nicht. Denn bald rettet uns nur noch die Landung von friedfertigen Aliens vor dem ökonomischen Suizid in unserer kleinen Sandkiste.

Die Eislauf-Gesellschaft. Als mich meine Tochter neulich fragt, wann wir auf der Alten Donau eislaufen, zögere ich. Ist das Eis schon dick genug? Niemand ist drauf, offiziell freigegeben wird es wohl noch nicht sein. Am Tag darauf tummeln sich die ersten Mutigen. Am Wochenende ist die Fläche voll. Jetzt wird es wohl halten. Los geht’s, Tochter. Das alte Spiel mit der trügerischen Sicherheit.

Je mehr Menschen die physikalischen Grenzen eines Systems testen, die Tragfähigkeit belasten, desto wahrscheinlicher ein Einbruch. Witzig, dass wir Eiskunstläufer die steigende Zahl der Fahrer als Zeichen der Sicherheit interpretieren, obwohl das Eis mit jedem Eisläufer einer größeren Belastung ausgesetzt wird.

In einer Eislaufgesellschaft hat die Mehrheit immer recht. Autsch! Ist leider falsch. Die Börsen funktionieren genauso. Alle rennen in die gleiche Richtung, dem gleichen Trend nach, so lange, bis das Eis bricht. Vermeintliche Sicherheit ist trügerisch.

Nehmt das! Ich plädiere für weniger Produkt und mehr Mensch. Weg mit dem absurd-banalen Wachstum, her mit Genügsamkeit. Weg mit dem kruden Effizienz-Fetisch, her mit globaler Verantwortung. Irgendwann muss es einfach genug sein.

Wir stehen als Teil der Eislaufgesellschaft mit den Schlittschuhen in der Hand („Vermögen“) in einem Sumpf aus geschmolzenem Speiseeis, Blut und Tauwasser und haben keine Ahnung, was wir tun sollen („vermögen“). Um es einfach zu halten, konzentrieren wir uns auf uns selber. Wie wir andere einbinden können, ist uns scheißegal. Egal, wie altruistisch unsere Gedanken sind, wir Großstadt-Bobos, Teilzeit-Hippies, Vegan-Aposteln, Baum- und Kuhstreichler sind alle Teil des Problems. Das zu akzeptieren, könnte schon Teil der Lösung sein. Starten wir die Diät zusammen! Dann helfen uns die Aliens vielleicht mal aus der Bredouille.